Ein Lobgesang auf die Nachsicht.

Ich bin mir sicher, dass jede/r von Ihnen bereits die Erfahrung gemacht hat, Unverständnis für das Verhalten oder die Überzeugungen anderer Menschen zu empfinden. Paart sich dieses Unverständnis noch mit dem Gefühl der Ungerechtigkeit, entwickelt sich eine Abwärtsspirale, die immer tiefer hinab führt. Mit dem Ergebnis, dass die Person, die sich selbst für verständiger und gerechter hält, beginnt, in schwarz und weiß, gut und schlecht, richtig und falsch zu denken. Dazwischen findet sich oft wenig.

Nun ist es so, dass sich der Mensch oft in seiner EIGENEN Wirklichkeit bewegt. Beschreibungen der Situation sowie Erklärungen und Bewertungen dieser sind meist ausschließlich geprägt von der EIGENEN Wahrnehmung, den EIGENEN Erfahrungen, den EIGENEN Wertvorstellungen.  Diese werden für gut und erstrebenswert gehalten. Also gibt es subjektiv betrachtet oft keinen Grund, mit dem Anderen in Dialog zu gehen (höchstens um ihn oder sie von der Richtigkeit der eigenen Meinung zu überzeugen) oder nachsichtig zu sein.

Spannen wir diesen Ansatz einmal weiter:

Wenn ich davon ausgehe, dass meine Wahrheit aus den eben genannten Gründen die richtige ist, müsste ich in Erwägung ziehen, dass mein Gegenüber ihre/seine Wahrheit ebenso für die richtige hält. Aha! Was für ein innerer Konflikt!

Aus dem Bewusstsein der verschiedenen Wahrheiten heraus kann es zwei Antworten zum friedlichen Umgang mit der Situation geben: Den Dialog und die Nachsicht. Beides erfordert Training, denn weder der Dialog noch die Nachsicht erzielen zwingend Konsens. Der Dialog kann helfen, die eigenen Perspektiven zu erweitern, um alternative Erklärungen und Bewertungen für das Verhalten des Gegenübers zu finden. Das kann friedlich stimmen und neue Dimensionen eröffnen.

Die Nachsicht hingegen ist die Königsdisziplin. Sie kann Frieden stiften ohne den Dialog zu erzwingen oder gar erst die Basis für einen Dialog sein. Und Nachsicht ist nichts mehr als dem Anderen genau das zuzugestehen, was wir uns selbst zugestehen. Die EIGENE subjektive Wahrheit. Einfach gesprochen die Haltung: Ich bin okay! Du bist okay!

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